Was macht eine gute Melodie aus?

Shownotes

Katrin Nussmayr stellt diesmal die schwierigste Frage: Was macht eine schöne Melodie aus? Gibt es Regeln, die für eingängige Tonfolgen gelten? Und Qualitätsunterschiede auch auf der höchsten Ebene der absoluten Ohrwürmer? Wilhelm Sinkovicz versucht zu antworten. Zuerst sagt er: Nein, man kann alle wesentlichen Elemente der Musik "nachrechnen", den Rhythmus, die Harmonie – aber nicht das Alleressentiellste, die Melodie. Und dann kommen die beiden ins Reden – und spielen ihre Lieblingsmelodien…

Am Ende sind sie nicht nur um einige brauchbare Qualitätsindikatoren schlauer, sondern wissen auch, wie man sich ein Lied schönhört, was "Happy Birthday" mit "Freude schöner Götterfunken" und mit Gloria Gaynor gemeinsam hat, und warum Beethoven sinngemäß gesagt hat: "Besinnt euch auf den Klingelton!"

Zu hören sind folgende Hörproben:

  • Die Fragmente aus Beethovens Neunter spielten die Wiener Philharmoniker unter Leonard Bernstein (DG)
  • Den Klingelton spielt das Handy von Katrin Nussmayr
  • Die Arie der Dalila singt Christa Ludwig (RCA)
  • Die Arie des Tamino singt Fritz Wunderlich (DG)
  • Das „Dies irae“ stammt aus der Aufnahme der „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz unter Igor Markevitch (DG)
  • Die Stimme des Hirtenknaben gehörte Alvaro Cordova. Sie erklingt auf der Aufnahme von Puccinis „Tosca“ unter Victor de Sabata (EMI)
  • Das Thema aus Arnold Schönbergs Variationen op. 31 spielen die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan (DG)
  • Gloria Gaynor singt „I Am What I Am“ aus Jerry Hermans „La Cage aux Folles“ (Silver Bue Productions)
  • Die Ausschnitte aus Igor Strawinskys „Sacre du printemps“ dirigiert der Komponist selbst (CBS)
  • Den Beginn von Beethovens „Mondscheinsonate“ spielt Friedrich Gulda (Gramola)

Über den Podcast In „Klassik für Taktlose“ ergründen "Die Presse"-Feuilleton-Redakteurin Katrin Nussmayr und Klassikkritiker Wilhelm Sinkovicz gemeinsam die Welt der klassischen Musik: Braucht jedes Orchester einen Dirigenten? Warum verstört Richard Wagner so? Was war an Mozart eigentlich so toll? Wie viel Klassik steckt in „Bohemian Rhapsody“ oder Taylor Swift? Für musikalische Einsteiger und Klassik-Freunde, die’s ein wenig genauer wissen wollen.

Produktion: Wilhelm Sinkovicz / www.sinkothek.at Audio-Finish: Georg Gfrerer / www.audio-funnel.com.

Transkript anzeigen

00:00:00: Klassik für Taktlose Mit Kathrin Nussmeier und Wilhelm Sinkowitsch

00:00:12: Lieber Willi, ich möchte die größte Frage stellen, die sich mir auf unserer bisherigen

00:00:26: Klassik für Taktlose Reise gestellt hat.

00:00:29: Was macht eigentlich eine gute Melodie aus?

00:00:35: Das zu erklären haben schon Generationen versucht und es sind eigentlich alle gescheitert.

00:00:43: Also, was sind die wesentlichen Elemente der Musik, der Rhythmus, kann ich ausrechnen.

00:00:50: Die Harmonie kann ich auch ausrechnen, was nicht schön klingt.

00:00:54: Also, das kann man mathematisch angeben.

00:00:56: Hat mit mathematischen Verhältnissen zu tun, was eine Melodie ist, kann kein Mensch sagen.

00:01:02: Also, wir werden sofort, es ist ein bisschen wie der Augustinus gesagt hat, mit der Zeit.

00:01:09: Wenn wir nicht darüber nachdenken, wissen wir alle, was die Zeit ist.

00:01:13: Wenn wir gefragt werden, können wir es nicht sagen.

00:01:17: Und bei der Melodie ist es ähnlich, du hörst eine Musik und sagst, das ist eine schöne Melodie.

00:01:22: Und wenn ich dich jetzt fragt, was ist eigentlich eine schöne Melodie oder was du mich gerade

00:01:25: gefragt hast, was ist denn eine Melodie, du kannst es nicht definieren.

00:01:29: Noch nicht, aber dafür sind wir ja heute da.

00:01:32: Vielleicht kommen wir der Antwort auf diese Frage ja doch noch näher.

00:01:34: Das heißt, es ist einmal etwas sehr Subjektives und du sagst, du hast in deiner über 40 Jahre

00:01:39: langen Laufbahn, es muss die Kritiker auch keine Antwort gefunden.

00:01:43: Also, man kann alles Mögliche versuchen, aber ich meine, noch einmal auf dieses Beispiel zurückzuholen.

00:01:50: Ein Dreivierteltakt ist ein Dreivierteltakt, ein Viervierteltakt ist ein Viervierteltakt.

00:01:54: Ich kann jetzt in diesen Takt, das ist das Metrum, rhythmisch alles Mögliche reinmachen.

00:02:00: Das kann ich aber alles immer ausrechnen.

00:02:02: Und ich kann irgendwo so zwischendrin, dann habe ich halt eine Triole oder eine Quintole

00:02:06: und so weiter.

00:02:07: Das ist alles Rhythmus, aber es ist alles nummerierbar.

00:02:10: Natürlich gibt es dann Zwischendinge, die man nicht sagen kann, aber man kann sagen,

00:02:14: es ist irgendwo zwischen einer Quintole und einer Sechstole.

00:02:17: Also so, man kann sich an, bei einer Melodie, die höre ich und die ist schön, aber was

00:02:22: macht sie aus?

00:02:23: Die andere Melodie ist auch schön und ganz anders gebaut.

00:02:27: Also, ich kann nicht sagen, nimm das, nehmt das, nehmt das, sonst wäre es ja ganz einfach.

00:02:31: Und wahrscheinlich ist das gewesenlich an einem wirklich großen Komponisten oder einem

00:02:36: großen Liedermacher, dass er instinktiv etwas macht, was alle schön finden, was aber keiner

00:02:42: sagen kann.

00:02:43: Aber man kann wahrscheinlich sagen, dass die Melodie die zentrale schöpferische Leistung

00:02:48: eines Werks ist.

00:02:49: Vielleicht, ja.

00:02:50: Es gibt wahrscheinlich auch Werke, wo wir das dann wieder legen, wo dann einzelne Werke

00:02:54: nicht aufgrund ihrer Melodie originell sind, sondern aufgrund ihres Rhythmus ist und es

00:02:58: gibt auch Beispiele, wo Rhythmen urheberrechtlich geschützt sind und wo es dann Rechtsstreitigkeiten

00:03:06: wird, dass jemand eine, zwei Sekunden von einem Stück woanders verbaut hat und so weiter.

00:03:10: Und da geht es ja nicht um die Melodie.

00:03:12: Aber in den allermeisten Fällen, wenn wir von Musik sprechen, das, was hängen bleibt,

00:03:16: das, was wir als die schöpferische Leistung wahrnehmen, ist die Melodie, oder?

00:03:19: Oder was wir nachsingen.

00:03:20: Das, was wir nachsingen.

00:03:21: Und ich glaube, wir können vielleicht jetzt auch gleich einmal anfangen mit unserer Definition.

00:03:27: Also wenn wir herausfinden wollen, was ist eine gute Melodie, müssen wir doch zuerst

00:03:30: einmal sagen, was ist denn eigentlich eine Melodie.

00:03:32: Definieren wir das mal.

00:03:33: Oder hören wir uns vielleicht einmal an, was ist für dich eine gute Melodie?

00:03:38: Ja, das können wir auch machen.

00:03:39: Ja, das würde mich jetzt interessieren.

00:03:41: Was für mich eine gute Melodie ist?

00:03:42: Was ist für dich eine gute Melodie?

00:03:44: Ich habe ein bisschen drüber nachgedacht und ich habe jetzt einfach ein paar Beispiele

00:03:46: mitgebracht, die mir einfach als allererstes in den Kopf gekommen sind.

00:03:51: Wahrscheinlich, wenn ich jetzt länger drüber nachdenke und wenn ich anfängeln meinen

00:03:54: Playlists durch zu suchen, dann würde ich noch andere Sachen finden.

00:03:59: Aber ich habe eine Melodie, die kommt ganz, eine ganz klassische wirklich im Weiteres,

00:04:04: also im engsten Sinne klassische Melodie, die jedes Mal, wenn ich die höre, wo ich mir

00:04:09: denke, das ist eine schöne Melodie.

00:04:10: Ja.

00:04:40: Mein Gott, der Beethoven, das ist ja nicht von ungefähr ist das die Europahymne geworden.

00:05:03: Wenn wir uns das anhören, diese Melodie ist, wie wir wissen, die Krönung einer der

00:05:10: komplexesten und vertraktesten Symphonien der Musikgeschichte, der meinten Symphonie

00:05:16: von Beethoven.

00:05:17: Aber ich höre ja gar nicht die ganzen Symphonien, ich höre mir ja nur diesen Teil an und ich

00:05:20: denke mir, das ist eine gelungene Melodie.

00:05:22: Ja, ja.

00:05:23: Und das ist es.

00:05:24: Das hat irgendwie so einen Bogen, der funktioniert, das hat Elemente, die einen irgendwie so

00:05:30: ein bisschen Gänsehaut geben.

00:05:32: Ich glaube, es ist auch ein bisschen das Pathos, das in dieser Melodie mitschwingt.

00:05:37: Ja.

00:05:38: Das hat eigentlich mir irgendwie was gibt.

00:05:41: Das imponiert dir.

00:05:42: Ja.

00:05:43: Das hebt einen ein bisschen.

00:05:44: Wenn du sagst, Pathos ist vielleicht, das ist eine Melodie.

00:05:48: Eine Grande.

00:05:49: Ja, ja, das hat Größe.

00:05:51: Ja.

00:05:52: Das hat auch eine natürliche Größe, die für jeden erreichbar ist.

00:05:57: Und das ist genau das Signal, das Beethoven ja aus senden will, mit dem rundherum.

00:06:02: Denn wenn wir wissen, also es ist ein Zerklüfter der Erster Satz, ein Nochzerklüfter der Zweiter

00:06:07: Satz.

00:06:08: Dann eine Vision von etwas ganz wunderbaren, da können wir dann auch noch reinspielen,

00:06:12: weil da ist nämlich auch eine großartige Melodie, aber ganz anders geartet drinnen, aber eine

00:06:17: Vision eigentlich, es haben wir das Göttlichen, das Unreichbaren, das Erstrebenwerden, aber

00:06:22: Unreichbaren.

00:06:23: Und dann bricht aus, in diesem Pandemonium, da sind wir uns davor für die in den ersten

00:06:29: drei Sätzen, bricht im letzten Satz herein das vollständige Chaos oder Donaten quasi

00:06:35: gleichzeitig eine irre Dissonanz.

00:06:37: Und aus dem heraus kommt dann die Ansage des ersten, der menschlichen Stimme, also sagt

00:06:54: jetzt einer was plötzlich, das erste Mal in der Symphonie, dass jemand was sagt und

00:06:59: singt.

00:07:00: Und was sagt er, oh Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen und

00:07:09: freudenvollere.

00:07:10: Und dann kommt diese Melodie und er sagt uns, ja und das ist Beethoven's Botschaft,

00:07:17: herz auf mit dem ganzen, das kann man jetzt hoch philosophisch starten, herz auf mit Kriegen

00:07:21: und ich weiß nicht was, aber einfach auch in Euren Seelen, lasst das doch frei.

00:07:27: Das, es ist ganz einfach.

00:07:30: Aber du meinst jetzt, dass der Text diese Melodie auch schöner macht?

00:07:34: Nicht unbedingt, sondern der Text suggeriert uns, jetzt herzt doch endlich auf zum Stränden

00:07:39: sozusagen und hör mal zu und dann kommt das und diese Melodie, wie du sagst, die helpt

00:07:45: dich ja.

00:07:46: Also es hat was Erheben, dass das kommt bestimmt auch aus diesem Kontext und dem Text des

00:07:50: Stücks und dieser Imbrunst mit der es dann vom Chor oft gesungen wird, wo man mitsingen

00:07:55: möchte.

00:07:56: Aber ich glaube es ist mehr als das, weil die Melodie ist ja eigentlich wahnsinnig

00:08:00: simple Rhythmisch, es ist nur Freude, Schöner, Götter, Funken, also das hat ja eigentlich

00:08:06: überhaupt keine ausgeklügelte Rhythmik und es ist nur die Tonabfall gemacht.

00:08:14: Und ich habe in der Vorbereitung auf diesen Podcast mir überlegt, könnte man vielleicht

00:08:19: eine Melodie, wenn man sie von allem beraubt, ihrer Dynamik beraubt, ihres Kontextes,

00:08:24: was bleibt übrig ist quasi ein Klingeltöne, wenn man eine Melodie zu seinem, so wie früher

00:08:31: die Klingeltöne waren, also es ist nur eine Monophoniklingeltöne, also einstimmig, wenn

00:08:37: man eine Melodie auf das runterbricht und sich immer noch denkt so, ja, ist ja eine gute

00:08:42: Melodie, dann hat sie was geschafft und jetzt spiele ich dir kurz was vor.

00:08:54: Also das heißt Klingeltöne, ja, da ist Null Dynamik drinnen, da ist überhaupt kein Ausdruck

00:09:09: mehr drinnen und es ist immer noch gut und das ist ja auch, das ist die Botschaft und

00:09:13: so wie du sagst, ich weiß ja die Geschichte der neuen Beethoven, die ich gerade erzählt

00:09:17: habe, weiß ich ja nicht und trotzdem empfinde ich diese Melodie, das ist genau das, was

00:09:22: der Beethoven ausschickt.

00:09:23: Wir sind euch doch auf das, was ganz natürlich, wir sind euch auf den Klingeltönen, was ist

00:09:27: die Botschaft der neuen Beethoven.

00:09:29: Okay, was ist denn für dich eine tolle Melodie, gibt es was, was dir immer wieder einen Sinn

00:09:35: kommt, wo du dir denkst so, na, das ist die ultimative Melodie?

00:09:39: Das gibt es, es gibt leider viele davon, aber wenn du mich spontan fragst, dann würde

00:09:47: ich sagen, das folgende.

00:09:52: Das ist die Klingeltöne, das ist die ultimative Melodie.

00:10:22: Das ist das Klingeltöne, das ist die ultimative Melodie.

00:10:53: Also das ist für mich der Inbegriff der schönen Melodie, aber dazu gibt es noch eine Geschichte

00:10:57: zu erzählen.

00:10:58: Sagen wir mal, was das war, es war auch unglaublich schön, finde ich.

00:11:01: Ja, ja.

00:11:02: Also es ist einfach wunderbar und das ist damit umgehrennt die Dalila den Samson.

00:11:09: In der Opa.

00:11:10: In San Sol Dalila von Camissa Sons, das ist eine altbibelische Geschichte, also der Samson

00:11:17: wird von der Schwachen aber schönen Dalila bezwungen und so kriegt sie.

00:11:24: Und die Sehnsucht, die hört man dann natürlich raus, die ist in jedem Ton drinnen.

00:11:28: Ich meine, das ist natürlich, wenn man die Geschichte kennt, ist das die pure Falschheit,

00:11:33: aber so kriegt sie.

00:11:34: Aber das ist ja egal, weil ich rede jetzt nur über die Melodie und ich habe die Geschichte

00:11:37: nicht.

00:11:38: Nein, und sie ist ja im Moment, und sie ist verführerisch, sie ist wirklich verführerisch,

00:11:43: aber für mich ist das ein Doppelschlag nämlich, weil diese Ahri, die die Ahri, die

00:11:47: Ahri, das ist der Mittelteil der Ahri.

00:11:50: Also schon, der Anfang der Ahri ist ja wunderbar, das müssen wir jetzt auch hineinspielen,

00:11:55: ganz gut.

00:11:56: Ja.

00:12:17: Das ist ja auch schon nicht schlecht, und dann noch setzt sie diese vorher gespielte

00:12:23: Übermelodie dann noch hinten drauf.

00:12:25: Also das ist einfach, das ist ein Doppel, das ist ein K.A.O. in zwei Schlägen.

00:12:30: Ja, ist das super.

00:12:31: Aber ich habe zwei Punkte, die ich jetzt deine Melodie ein bisschen challengen möchte, nämlich

00:12:37: erstens, die ist jetzt natürlich auch, so wie wir es gehört haben, unglaublich berührend

00:12:42: gesungen.

00:12:43: Ja.

00:12:44: Das bleibt von dieser Melodie, wenn man sie als Klingelton abspielt.

00:12:48: Nicht so viel wie beim K.A.O.

00:12:50: Vielleicht stimmt ja auch diese Klingeltontheorie, vielleicht ist der Klingeltonindikator auch

00:12:55: trügerisch, aber das würde ich jetzt mal in den Raum werfen.

00:12:59: Nein, aber ja, das ist sehr gut, was du sagst, nein, es ist nämlich das folgende, das ist

00:13:04: raffinierte Hochromantik, Petrofen ist Klassik, und K.A.O. führt uns ja vor, wirklich ein

00:13:11: Vollkhaus und setzt dann diese Klingeltonmelodie ein Symbol des Puren, des Reinen, des Einfachen.

00:13:20: Ah ja.

00:13:21: Wobei, interessanterweise, ja, was wir gehört haben, also diese wunderbare, diese absteigende

00:13:26: Melodie der Dalilata, ich vor einmal gesehen, wenn man das anschaut, ist es ganz ähnlich

00:13:32: wie das, was Petrofen macht, zweimal dasselbe, und dann öffnet sich es, bei Petrofen kommt

00:13:36: dann der Anfang wieder zurück, also das gibt es, das sind alles mittelalterliche Liedformen,

00:13:42: die haben schon die Troubadours und die Minnesänger haben in diesen Formen gearbeitet, das geht

00:13:49: also die ganze Musikgeschichte durch und man kann es reduzieren auf relativ einfache formale

00:13:53: Prozesse, die erklären aber nicht die Schönheit und die verführerische, das verführerische

00:13:58: Potenzial der Melodie, das kann man eben nicht erklären, aber es ist das eine, das

00:14:02: ist Raffinement, wird auch eingesetzt ganz bewusst zum Verführendes Samson, das andere

00:14:09: ist ein Symbol der Reinheit, der Klarheit und damit der Schönheit, das Schöne ist

00:14:17: immer das Schönste, ist immer das, was am einfachsten ist, was uns Petrofen auch dadurch

00:14:22: beweist zum Beispiel, dass bei ihm ist ein bisschen was wir in skizzen Blättern, wir

00:14:27: haben schon einmal drüber gesprochen, nachweisen können, wie er gearbeitet hat, wie er an

00:14:32: einer solche Melodie gearbeitet hat, bis die so gesessen ist, dass du sagst nur so kann

00:14:37: es sein, das ist ein Arbeitsprozess, das so zu vereinfachen, so zu reduzieren aufs

00:14:42: Wesentliche, dass es dann stimmt und insofern hast du recht, die Petrofen Melodie ist die

00:14:48: bessere, wertvollere.

00:14:51: Weiß nicht, also du hast mir deine vorgespielt und ich fand sie unglaublich schön, aber

00:14:55: ich muss jetzt auch sagen und das ist jetzt Punkt zwei mit dem ich sie challenge'n will,

00:14:58: ich könnte sie jetzt, drei Minuten später, nicht mehr nachsingen, sie ist nicht so eingängig,

00:15:04: was nicht heißt, dass sie nicht schön ist, aber ich habe immer gedacht, eine schöne

00:15:07: Melodie muss eine gewisse Eingängigkeit besitzen, vielleicht ist es das auch gar nicht unbedingt,

00:15:13: die Melodie, die du mir vorgespielt hast, hat mehr Überraschungen in sich, also ich

00:15:19: hätte gesagt, sie verlässt jetzt öfter den von ihr selbst vorgegebenen Pfad und ja ich

00:15:28: könnte sie dir jetzt nicht nochmal nachsingen, ich habe sie schon, sie hat sich wieder verflüchtigt.

00:15:31: Ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, das ist ein gutes Beispiel und das sind wir jetzt, das

00:15:35: ist, was du stellst, ist die Qualitätsfrage und auf einem ästhetisch sehr hohen Niveau

00:15:42: und darüber ist natürlich Jahrhundertelang diskutiert worden und deswegen sage ich,

00:15:47: natürlich ist der Beethoven, der hat die wertvollere Melodie gemacht, weil sie reduziert ist

00:15:52: auf das Wesentliche, das andere ist ein Kunstprodukt, wenn man ganz hart ist, kann man sagen, das

00:15:58: Kitsch, die Egerfreude ist in der Götterfunktion, ist kein Kitsch.

00:16:02: Findest du da, kann man das unterscheiden, das eine Skitsch ist andere nicht?

00:16:06: Kann man insofern unterscheiden, wenn man deine Wertmastebe anlegt, du sagst, das kann

00:16:09: man, das ist raffiniert, das kann man nicht wirklich nachsingen, es ist schön, aber es

00:16:15: ist jetzt nicht das, wo ich sage, na klar, das ist der Punkt, nicht, und eine wirklich

00:16:20: bedeutende Melodie kommt auf den Punkt, die wirst du bei Schubert finden, die wirst du

00:16:25: bei Beethoven finden, die wirst du bei Haydn finden, sehr oft sogar, das geklingt oder

00:16:29: Mozart, nehmen wir Zauberflöte, unser Lieblings-Nürn, immer wieder, immer wieder, immer wieder,

00:16:35: immer wieder, immer wieder, bei Angel, die pappert das noch wieder.

00:16:37: An dieser Stelle vielleicht kurz für alle Hörerinnen und Hörer, die unsere Zauberflöte

00:16:40: in Folge nicht gehört haben, wir waren ja durchaus kritisch, also ich war sehr kritisch

00:16:45: über den Inhalt dieser Opfer und wir haben da schon mal darüber geredet, wie wir und

00:16:51: unlogisch dieser Opfer ist, aber das ist jetzt ein anderes Thema.

00:16:55: Ja, und jetzt aber bitte unbedingt, wenn Sie es wirklich noch nicht gehört haben, also

00:16:58: wenn ihr alle gehört haben, ganz süchtig und bitte ein zweites Mal hören, es lohnt

00:17:01: sich, aber abgesehen davon, da reden wir auch über die Simplicität der Papagenonide,

00:17:06: jeder kann das nachsingen, ein Vogelfänger, aber ich finde nicht, dass der Vogelfänger

00:17:11: jetzt eine besonders schöne Melodie ist, die ist für mich auf der Schönheitsskala dort,

00:17:16: wo ein Kinderreim ist.

00:17:17: Ja, und ein Kinderreim hat eine pure Schönheit in den Regen, ich sehe, alle meine Endlern

00:17:24: können wir alle nachsingen, ist eine wunderbare Melodie, weil es auch jeder sofort nachsingen

00:17:30: kann und jeder wird sofort begreifen, das ist eine Melodie, auch wenn man nicht erklären

00:17:34: kann und wir kennen es nicht, der Kinderreim oder wir kennen es zumindest versuchen, durch

00:17:37: das Regiment, das sollte man versuchen zu erklären, also was ist gut an freudischöner

00:17:40: Götterfunken, was ist gut an alle meine Endlern und was ist schön, aber vielleicht nicht so

00:17:45: wertvoll, an Sausson Dalila.

00:17:48: Ja, das ist super schwierig, ich glaube, es gibt vielleicht einfach zwei Arten von

00:17:53: schönen Melodien, die, die wir ständig parat haben, weil sie uns im Kopf bleiben, die die

00:17:58: Ohrwurmcharakter haben, und die schönen Melodien, die ein flüchtiges Vergnügen sind, weil

00:18:04: wir sie nur während wir sie hören genießen können und dann verpuffen sie auch ein bisschen

00:18:09: wieder, weil sie sich nicht so festkreien in unseren Gehirnwindungen, aber ist es bei dir

00:18:14: auch so, weil ich, du bist ja viel vertrauter jetzt mit dieser Melodie, die du uns vorgespielt

00:18:18: hast aus der, aus Samson und, wie spricht man das richtig aus?

00:18:22: Ja, Samson und Dalila.

00:18:23: Samson und Dalila.

00:18:24: Hast du sie im Kopf wachst du in der Früh auf und hast die Melodie parat?

00:18:28: Das kann passieren. Ich habe viel Musik im Kopf, manches verfolgt mich manchmal, verfolgt

00:18:35: mich nicht immer nur Melodien, aber so Schnipsel, so, so ganz charakteristische Sachen und dann

00:18:42: wird man wahnsinnig, wenn man nicht drauf kommt, was ist das eigentlich, weil wenn ich

00:18:47: das höre, weiß ich sofort, das ist das Samson, aber es gibt so, so Kardinalmomente in manchen

00:18:54: Opern, zum Beispiel, ich habe einmal wochenlang eine Passage im Kopf gehabt, wo ich mir gedacht

00:19:02: habe, was ist das, dann habe ich aus irgendeinem Grund, weil eine Aufführung zu recensieren

00:19:07: war, gehe ich in Tosca und im zweiten Akt mittendrin und kommt das, bei einer völlig

00:19:12: unscheinbaren Szene, kommt das und ich sage, yes, Samson hat das.

00:19:16: Und Tosca kennst du ja sehr gut, oder?

00:19:17: Ich kenn es immer auswendig, ja.

00:19:18: Aber du kannst es nicht so machen.

00:19:19: Aber das ist ja so eine, hat auch ein Charakter, so wie du sagst, hat sich festgehakt und ich

00:19:26: kann es nicht sagen, aber ich meine, ich gebe dir recht, natürlich ist das wahnsinnig schwer

00:19:31: nachzusingen, was, was, was die Daniela singt und die Freude ist in der Götterfunke ist

00:19:36: wie alle meine Endländer, das können alle noch singen, ja.

00:19:38: Es ist ja, ich glaube man kann ganz grob sagen, in der klassischen Musik trifft man häufiger

00:19:43: komplexere Melodiestrukturen an und in der Popmusik trifft man häufiger die eingängiger

00:19:49: dann an.

00:19:50: Ich glaube du hast, also du hast mir auch immer wieder sehr stolz erklärt, dass bei Mozart

00:19:54: sich kein Takt wiederholt, das heißt die Melodien haben nicht das, was man den anderen

00:19:58: Melodien oft hat, dass sie sich ständig selbst neu aufgreifen und wiederholen.

00:20:02: Ja, wir haben das über die Zauberflöte gesagt, oder auch zum Beispiel über die wunderbare

00:20:06: Rosenare, der Susanna aus dem letzten Figaroakt, das sind diese ganz, wie du sagst, komplexen,

00:20:14: fließenden Melodien, die fast schon so in Richtung Seins angehen wurden, sind sie viel purer

00:20:21: natürlich bei Mozart, die über Takte hingehen und wo sich zum Beispiel die Bildnisare des

00:20:27: Tamino, das Bildnis ist bezaubernd schön, kennt man.

00:20:51: Ich fühle es, ich fühle es wie dieses Väterbild, mein Herz mit neuer Regung fühlt, mein Herz

00:21:20: mit neuer Regung fühlt.

00:21:34: Da wiederholt sich bis zum Ende dieser Aria keine einzige Phrase und trotzdem finden wir,

00:21:38: das ist eine wunderbare melodische Entwicklung.

00:21:42: Das sagt uns natürlich auch dramaturgisch etwas, weil der Tamino kriegt dieses Bild

00:21:45: der Tamino in die Hand, schaut das an, verliebt sich und ist am Ende der Aria nicht mehr der,

00:21:50: der vorher war, der kann nichts wiederholen.

00:21:52: Und ähnliches gibt es bei Mozart, aber es gibt bei Mozart natürlich noch hunderte Ariens,

00:21:56: wo sich sehr wohl was wiederholt, so wie bei Beethoven schon die ersten zwei Takte noch

00:22:00: einmal gebracht werden, im Vorjahr des Schöner Kinder funken nicht, und dann ein bisschen

00:22:03: am Ende bickt es ein bisschen anders ab.

00:22:05: Also Wiederholung ist eine wichtige Kategorie, aber nicht unbedingt.

00:22:09: Aber worauf ich eigentlich hinaus will, ist, wie repetitiv darf es sein, wie sehr muss

00:22:15: uns eine Melodie etwas erinnern, wo wir schon ansetzen können, dass sie uns schon ein bisschen

00:22:22: vertraut vorkommt, und wie sehr muss sie uns überraschen?

00:22:25: Ich glaube, überraschen muss jede neue, gute Melodie, muss etwas haben, was sie unterscheidet

00:22:32: von den anderen guten Melodien, die wir schon kennen.

00:22:35: Ich glaube, das was du meinst mit, dass sie uns an etwas erinnern muss, das was uns erinnert,

00:22:40: ist eigentlich im Grunde eine Frage des Rhythmus.

00:22:45: Diese einfachen Melodien sind alle getaktet, im wahrsten Sinne des Wortes, eine gute Melodie

00:22:52: hat vier Takte, und dann noch einmal vier Takte, sind acht Takte, das ist die klassische Entwicklung

00:22:58: einer Melodie.

00:22:59: Es gibt hundert Gegenbeispiele, aber im Wesentlichen, ich meine, sind diese Melodien, und das hat

00:23:04: wieder grundlegend etwas mit dem Rhythmus zu tun.

00:23:07: Das heißt, wir müssen uns in Bett wohlfühlen, und dann können wir anfangen zu träumen.

00:23:12: Wenn wir schlecht liegen und ein Arm hängt raus oder ein Fuß hängt raus, dann sind wir

00:23:21: nicht in der Ballhahn, dann tun wir das fünf-Taktig, und es gibt schöne fünf-Taktige Melodien.

00:23:26: Also es braucht eine Grundharmony.

00:23:28: Und eine Grundharmony, absolut.

00:23:31: Also Harmonie gar nicht, das ist im musikalischen Sinne, sondern eine Grund, ein Wohlfühlbett.

00:23:36: Sagen wir so, genau das ist es.

00:23:38: Der Rahmen muss irgendwie, ja, man muss sich wohlfühlen, man muss sich wohlfühlen, und

00:23:44: man muss wissen, dass man da nicht rausgerissen wird.

00:23:48: Also ich sage, eine greifbare Form.

00:23:50: Ja, eine greifbare Form.

00:23:51: Es gibt Gegenbeispiele, wie gesagt, aber das sind schon die Sachen, wo es einen dann beim

00:23:56: Hören eine gewisse intellektuelle Mühewaltung abverlangt, kann man trotzdem noch schön finden.

00:24:01: Es ist ja auch nicht verboten, dass man das hier und einschaltet, zum Vergnügen.

00:24:07: Aber das, was wir gefordert haben eigentlich, was ist jetzt eine Grundlegend für alle deschiffürbare

00:24:13: schöne Melodie?

00:24:14: Das muss ein Takt haben, sagen wir mal so.

00:24:18: Zumindest, wir reden jetzt nur von Europa in Wirklichkeit.

00:24:20: Ja, das ist natürlich ein Riesenthema, das wir uns auch noch aufmachen müssen.

00:24:25: Wie sehr ist das, was wir als schöne Melodie begreifen, an Zeit und Orte gebunden?

00:24:30: Ich würde jetzt einmal vermuten, dass man im Japan von 1300 andere Melodien schön gefunden

00:24:37: hat, als im Österreich des 21.

00:24:39: Jahrhunderts.

00:24:40: Ja, also ganz sicher ist das so, das ist, wenn die Kultur reinbleibt, sozusagen ist das

00:24:45: ein gefährlicher Begriff, aber doch ist das bis heute so.

00:24:49: Also Chinesen, Japaner haben einen vollkommen anderen akustischen, wahrscheinlich überhaupt

00:24:54: einen anderen Schönheitsbegriff, aber es sind diese Kulturen mittlerweile überlagert

00:25:01: von der europäisch- und amerikanischen, also von dieser abendländischen Kultur, dass

00:25:09: die sich das versuchen anzueignen, was ihnen zum Teil hervorragend gelingt, denken wir

00:25:14: nur.

00:25:15: An Kpop oder was?

00:25:20: Symphoniker, wie oft die auf Asiantournee fahren, wie die dort empfangen werden und wie das dort

00:25:25: aufgenommen wird und wie viele chinesische und japanische Künstler es jetzt schon gibt. Die das

00:25:31: reproduzieren, die bringen uns ja nicht eine japanische oder chinesische Melodie, sondern die

00:25:36: bringen uns ein Beethoven zur Weltlicht. Das ist ja das Absurde letztendlich, aber du hast

00:25:40: natürlich vollkommen recht, wenn man die gefragt hätte oder heute noch fragt, es gibt ja auch

00:25:45: Menge Chinesen und Japaner, die wahrscheinlich noch in ihrem Leben keinen Beethoven gehört haben

00:25:49: und auch gar keine Lust haben drauf. Was die schön finden, dann kommt jetzt was ganz anderes heraus.

00:25:54: Im Übrigen geht das natürlich auch innerhalb Europas. Wenn man der Zeit zurückschaut,

00:26:02: Bella Bartok ist ausgezogen, um die echte ungerische Volksmusik zu finden. Also das,

00:26:08: was die Bauern wirklich gesungen haben vor zwei, 300 Jahren und was davon übergeblieben ist. Und

00:26:13: er schildert ganz wunderbar, wie schwierig das war, wenn er in die Dörfer gegangen ist mit seinem

00:26:20: Domband gerät und die Leute aufgenommen hat. Die haben in alle irgendwelche moderne Lieder,

00:26:26: westliche sozusagen Lieder vorgesungen, wo er gesagt hat, ja, das will ich nicht, was hat

00:26:33: der Opa gesungen? Oh ja, da habe ich was und dann ist wieder so was gekommen, bis er vorgetrunken

00:26:38: ist. Oh ja, da gab es schon etwas, der hat auch so und dann plötzlich hat er ausgegraben, was wirklich

00:26:42: eine Volksmelodie, eine ungerische Volksmelodie ist, was auch wieder wahnsinnig viel mit der Sprache

00:26:47: zu tun hat, die ja vollkommen anders organisiert ist als unsere Sprache, nicht? Die Ungarn hängen ja

00:26:53: alles hinten an und das wirkt sich selbstverständlich grammatikalisch, nicht? Und es wirkt sich

00:26:58: selbstverständlich auch auf das Musikmachen aus. Wenn die Melodie sich vom Text auch verbleitet und

00:27:04: dann, wenn die Wörter länger sind, dann müssen die Melodien auch für diese Wörter Platz schaffen.

00:27:08: Okay. Wann hat denn eigentlich das Zeitalter begonnen, der Melodien, die wir nach heutigem

00:27:14: Empfinden schön finden? Weil wenn du mir so ganz alte Sachen vorspielst, so kregarianische

00:27:19: Corelle zum Beispiel, muss ich sagen, die klingen für mich nicht sehr eingängig und nicht sehr schön,

00:27:25: sondern eher Fahrt und dahin geleiert, sag ich jetzt ganz. Es gibt da auch melodische Topoi,

00:27:31: die ganz klar bis heute funktionieren. Denken wir nur an das DSIere.

00:27:59: Sofort, weil wir damit sozialisiert sind, mit einem sehr ernsten Begebnis und das ist die DSIere

00:28:07: Melodie, die kregarianische DSIere Melodie, also der Tag des Zorns, das ist handelt vom jüngsten

00:28:12: Gericht und ist ein Archetypus, ein musikalischer, der zitiert wird bis herauf in die musikalische

00:28:18: Moderne immer wieder und das bleibt. Aber natürlich, so wenn du so ein Gesangl erst ein

00:28:25: kregarianisches stand, dann wird man das jetzt nicht als schön empfinden. Noch schwieriger ist es

00:28:29: bei echter, mittelalterlicher Musik, weil sie nicht organisiert nach dem, was wir als unser

00:28:36: Schönheitsideal empfinden und das ist die Turmolharmonik. Und die gibt es eigentlich erst, also

00:28:42: kommt gerne noch so alles, es stimmt nicht ganz, sagen wir seit Bach. Okay, also man kann sagen,

00:28:46: dass was wir als Schönem empfinden, ist begrenzt von dem, was wir harmonisch fassen können und

00:28:56: gewohnt sind. Ja, absolut. Es ist eine Frage der Gewöhnung, das heißt es ist eine Frage, so wie

00:29:00: du es gesagt hast, der Harmonie, wie wir, wie du dich wenden solltest. Und wahrscheinlich wirst du auch,

00:29:05: oder? Also wenn irgendwas im 17, 23. Tag, das können, dem können wir nicht folgen. Wollen wir

00:29:11: auch nicht, da haut es dich aus der Spur. Also das heißt der Rhythmus, der Takt ist wichtig, haben

00:29:18: wir gesagt, also die Gradzahligkeit, sagen wir es jetzt einmal ganz einfach, und die Harmonie,

00:29:23: auch da die Gradzahligkeit, also das harmonische Empfinden. Das muss schon stimmen, in das muss

00:29:31: eine Melodie eingebettet sein. Das Interessante ist ja, es gibt ja in der musikalischen Moderne,

00:29:37: die ja mit, also rhythmisch weniger, aber vor allem mit der Harmonie gebrochen hat, mit der

00:29:42: Dürr-Moll-Harmonik. Gibt es etliche Versuche Melodien zu schreiben? Arnold Schönberg mit seiner

00:29:50: Zwölfton-Technik hat gesagt, machen wir es doch endlich frei von diesem Dürr und Moll,

00:29:55: sondern lassen wir doch die Melodie für sich sprechen. Und er schreibt dann zwölfton Melodien.

00:30:07: Sag ich, ja, es ist eine ... Kann man machen. Kann man machen, entwickelt sich, melodisch,

00:30:30: aber ich fühle mich nicht wohl damit. Es würde kaum jemand das jetzt als Beispiel für eine besonders

00:30:35: gelungene Melodie vorsingen. So sagst du es. Eine andere Frage, muss man sich manche Melodien

00:30:42: erst schön hören? Gibt es Melodien, die mit mehrmaligen Hören besser werden, wenn man quasi

00:30:47: die Oberflächenschichten wegkratzt und zum Kern vordrinkt? Hast du so was schon mal erlebt?

00:30:52: Ich habe das erlebt immer wieder, aber nicht unbedingt mit Melodien, sondern mit ganz

00:31:00: Sachen wieder, den Briefmarkensammler jetzt sagen, also mit Musikstücken, mit Musikstücken,

00:31:05: die ich höre und die natürlich auch eine melodische Entwicklung haben und wo du beim

00:31:09: ersten Mal sagst, ich komme nicht mit, aber die haben immer etwas, was dir sagt, geh noch

00:31:19: mal rein, schau dir das noch einmal an, das hat was. Also da spürt man, aber da sind wir

00:31:24: vom Nachsingen natürlich weit entfernt. Und das kann mit Melodien auch so sein, aber da

00:31:29: werden wir dann nie dorthin gelangen, wo wir mit Beethoven's freiheitlichen Ergötterfunken

00:31:35: sofort sind, alle miteinander werden wir das erste Mal hören und nicht einmal dorthin,

00:31:39: wo wir bei der Dalila uns umgarnen lassen. Kommen wir vielleicht zu einer anderen Melodie,

00:31:44: die uns gut gefällt. Ich hätte noch ein Beispiel mitgebracht.

00:31:59: , es ist mein Welt, das ich ein bisschen Breiten möchte. Mein Welt, und es ist nicht ein Ort,

00:32:14: dass ich in der Leben nicht so gut sein muss, bis du sagen kannst, ich bin was ich bin. Ich bin was ich bin,

00:32:29: aus dem Musical La Cage of Fall, hier jetzt gesungen von Gloria Gaynor. Willi, kannst du mir sagen,

00:32:34: warum ich diese Melodie schön finde? Ich könnte sagen, dass ich sie auch schön finde und dass ich

00:32:40: mir gerade überlegt habe, es ist so interessant, weil wir mit den Beethoven angefangen haben, der am

00:32:45: Anfang einmal zweimal dasselbe präsentiert und dann ausgeragt. Genau dasselbe Muster haben wir

00:32:51: hier, sie fängt an mit einer Melodie, dann kommt die selbe Phrase noch einmal am Ende ein bisschen

00:32:58: anders für ins nächste, genau für ins nächste und auch das wird noch einmal gebracht. Das ist bei

00:33:05: Beethoven dann ein bisschen anders, weil da kommt das erste zurück, aber es kommt ja hier auch. Es ist

00:33:10: schon lustig. Das ist zwar ein ganz klassisches, eine Formel eigentlich. Eine Formel, wenn man so will

00:33:17: oder ein formales Prinzip, das einfach schon lange funktioniert. Ja, also man hat ein Motiv, das wird

00:33:25: noch einmal wiederholt, dann verändert sich es. Dann geht man ein bisschen weg von dem und macht

00:33:30: was Überraschendes und diese Überraschung löst vielleicht so eine gewisse Lehrstelle aus oder

00:33:35: eine Spannung, die eingelöst werden muss und dann kommt diese Erlösung, indem man wieder aber auf

00:33:40: einem Umweg zur Ursprungsmelodie zurückkehrt. Du hast es ganz genau beschrieben, so funktionieren

00:33:46: wirklich wahrscheinlich 80 Prozent der Melodie, die man also rund. Genau so funktioniert Happy Birthday.

00:33:52: Was siehst du? Oder? Ja, und das kann doch auch jeder nachsehen. Happy Birthday to you, Happy Birthday

00:33:56: to you, leicht verändert. Happy Birthday, lieber, fühlen Sie sich angesprochen, da haben wir jetzt

00:34:02: kurz einen kleinen Schlenker gemacht und dann kommen wir zurück. Happy Birthday to you. Ja, genau,

00:34:07: da ist auch noch das Refrain-Prinzip, dass der Chor dann einstimmen kann, Happy Birthday to you,

00:34:12: am Schluss. Also das sind alles, aber Urformen, das muss ich immer sagen, das Europäischen singen. Ja,

00:34:20: nur diese Urformen finde ich ja auch nicht alle schön. Also Happy Birthday finde ich jetzt als

00:34:25: Melodie zu simple, zu fast billig. Ja, Moment, jetzt sehen wir bei zwei verschiedenen Sachen,

00:34:32: das eine ist die ästhetische Bewertung, also schön oder nicht so schön, das andere ist die

00:34:38: funktionale Bewertung, als es funktioniert. Happy Birthday kann man so wie Freude, Schöne,

00:34:42: Götter funken sofort nach sich. Und ich würde sagen, I am what I am, da führt diese Funktionalität

00:34:48: dazu, dass mir das Lied so hineingefressen hat, dass ich überhaupt es in den Gipfel und in

00:34:56: die Loge der Schönheit stellen kann. Ja genau, das hast du ja zuerst gesagt, du musst dich sozusagen

00:35:02: wohlfühlen mit etwas, du musst hineingenommen werden und das hat wie gesagt etwas mit Rhythmus

00:35:07: beziehungsweise Takt zu tun oder mit diesem eben, der Takt ist ja eine Melodie, noch einmal singen

00:35:14: ein bisschen auskragen und dann was anderes und eventuell die Melodie zurückholen. Es gibt also

00:35:20: alle, die sich das antun wollen, wenn sie fünf eineinhalb Stunden in der Ober sitzen wollen,

00:35:24: wenn sie in die Meistersinger von Nürnberg, so sie den endlich wieder gespielt werden,

00:35:28: befür dieses Prinzip ganz genau behandelt und der Hans Sachs, da hält der Ober, erklärt dem

00:35:35: zweiten Helden der Ober, dem Walter von Stolzing, wie geht denn eine Melodie, das ist ganz lustig

00:35:41: und der Walter von Stolzing, der sich die Eva er singen muss beim Preis, beim Wett singen sozusagen,

00:35:48: der fragt jetzt den alten Meister, ja wie fange ich nach der Regel an und der schaut den anderen

00:35:54: und sagt, ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann und erklärt dem aber auch den Aufbau oder

00:36:01: einen ähnlichen Aufbau, wie wir ihn jetzt gerade erklärt haben, das ist in der Musiktheorie die

00:36:07: sogenannte Barform, das ist kurz gesagt A A Strich B und das gibt es dann auch noch eine Variante,

00:36:16: die wir gehabt haben, wo am Schluss A zwei Strich zurückkommt, das wäre das Kroben, was wir jetzt

00:36:22: meistens gehört haben und diese Barform ist ein Arche-Typus des Liedes, des Lieder-Singens,

00:36:31: dass ich eine Melodie singe, sie dann wiederhole und vielleicht am Schluss durch eine kleine

00:36:38: Differenzierung öffne, um in den nächsten Teil hinüberzukommen und jetzt sind wir wieder beim

00:36:43: Sans und der Dalila, wo das genau so ist, eine ohnehin schon sehr schöne Melodie und dann noch

00:36:49: das K.O. erfolgt im zweiten Teil. Also vielleicht kann man sagen, so subjektiv, dass Melodie empfinden

00:36:55: auch sein kann, es geht oft um ein Gleichgewicht zwischen Vorhersäwerkeit und Überraschungsmomente.

00:37:01: Also es braucht ein bisschen einen Twist and Turn, die Melodie muss etwas machen, was eine andere

00:37:06: Melodie noch nicht so gemacht hat, nicht auf diese Art. Das stimmt einmal auf jeden Fall und das ist

00:37:12: das, was eben die wirklichen Meister unterscheidet von Leuten, die ganz gut Musik machen, dass ihnen

00:37:18: halt Melodien einfallen, die besser sind, die halt diesen Wertesprung, diesen Stabhochsprung schaffen,

00:37:23: dass sie oben drüber kommen, das ist jetzt wieder toll. Ja und das schaffen wir auch ganz viele

00:37:28: Singer-Songwriter, ganz viele Songwriter des populären Musik-Spectrums, die machen das dann

00:37:35: tendenziell auf eine ein bisschen einfache Art als die klassischen Komponisten, aber die

00:37:40: die Einfälle, die melodischen Einfälle sind oft genauso genial. Absolut, es ist ja auch nur die

00:37:47: Frage, was mache ich damit, ich kann es bei dem belassen, so wie bei Happy Birthday, wenn es

00:37:53: kann eine zweite Strophe singen und das ist aber dabei bleibt, oder ich kann es nehmen und

00:37:59: verarbeiten, ich kann es variieren, ich kann es gegen mit einem anderen Thema kombinieren und,

00:38:04: und, und, und, das ist ja dann nur eine Frage des Kunsthandwerks, aber die Melodie bleibt die

00:38:09: Melodie. Das Lustige ist, es gibt gefühlt unendlich viele Melodien und täglich werden

00:38:13: neu geschrieben und viele davon kommen bei uns an und wir finden sie schön, aber es gibt nur zwölf

00:38:18: Töne. Ja, jetzt braucht man ein Mathematiker, der uns ausrechnet, wie viele Kombinationsmöglichkeiten es

00:38:25: gibt mit diesen zwölf Tönen, aber das muss man ja noch einmal reduzieren, denn wie gesagt, mit

00:38:30: den zwölf Tönen, das haben wir bei Schönberg gehört, kommen wir ja nicht weit beim Erfinden

00:38:35: einer schönen Melodie, das ist sehr, sehr schwer, wo nicht um möglich. Je weniger ich von diesen

00:38:41: zwölf Tönen verwende und wenn ich ja am ersten in der Tour Scala oder auch in der Moll Scala

00:38:45: bleibe, erziele ich wahrscheinlich die besseren Ergebnisse, vor allem, was das Nachsingen betrifft.

00:38:54: Aber mir fehlt jetzt gerade etwas. Ich glaube, das ist übrigens ein Kriterium, die Nachsingbarkeit.

00:38:59: Die Nachsingbarkeit, ja, ganz sicher, ganz sicher. Aber mir fällt da noch was ein, weil

00:39:03: jetzt erst gesagt am Tour und Moll. Das stimmt und stimmt natürlich auch wieder nicht, denn auch

00:39:08: vor der Etablierung des Tour-Moll-Systems ist das sozusagen jaunisch und äolisch in den alten

00:39:17: Donaten. Also kurz zur Erklärung, es gab dieselben Töne, aber man hat sie anders gruppiert, oder?

00:39:24: So ist es. Also wenn wir jetzt C durchspielen... Also man klaviert, das Klavier hatte die gleichen

00:39:30: Tasten und jetzt haben wir ein System, wo wir sagen, diese von diesen zwölf Tasten sieben

00:39:34: passen zusammen. Und je nachdem, wie die Intervalle, also die Abstände zwischen diesen Tönen sind,

00:39:40: ist das dann eine Dur-Tonat oder eine Moll-Tonat. Und früher hat man eine andere Abstände gewählt

00:39:45: und hat dann andere Kombinationen aus Tönen zusammengenommen.

00:39:50: Genau. Puccini, einer der größten Melodienerfinder, haben wir auch schon einen Podcast gemacht,

00:39:55: unbedingt hören zu werden, meine Damen und Herren. So viel Werbung heute hier.

00:39:59: Schreibt z.B. in seiner Tosca, im dritten Akt. Das beginnt ganz harmlos mit einem Sonnenaufgang

00:40:07: und das singt in der Ferne eine Hirtenknappe. Und der singt weder in Tur, noch einmal und trotzdem

00:40:13: ist es eine Melodie, wahrscheinlich sogar eine Melodie, die man ganz gut nachsingen kann.

00:40:30: .

00:40:59: Es klingt ein bisschen schräg, aber es ist ganz einfach und es ist jedenfalls, sagen wir mal so,

00:41:04: es ist nichts unlogisch. Und das ist eine Melodie, wie sie wahrscheinlich wirklich gesungen worden ist,

00:41:10: vielleicht zum Teil heute noch gesungen wird, irgendwo in den italienischen Bergen. Und das ist lydisch.

00:41:17: Das hat den Halbton zwischen vierter und fünfter Stufe.

00:41:24: In anderen Tonarten, "Verboten hat Hohn", hat sich da reingeschlichen.

00:41:31: Gibt es eigentlich auch Stücke ohne Melodie in der Klassik?

00:41:36: Man ist versucht zu sagen jede Menge, aber die Antwort ist natürlich eigentlich nein.

00:41:43: Weil das ist also in anderen Musikrichtungen, kann ein Lied auch ohne Melodie funktionieren.

00:41:48: Im Techno, teilweise im Rap, wenn es nicht melodisch zugeht in der Klassik, ist die Melodie eigentlich

00:41:54: so der Grundbaustein.

00:41:56: Absolut. Sagen wir mal so, der Rhythmus ist natürlich unglaublich. Der Rhythmus ist immer wahnsinnig wichtig.

00:42:02: Ganz kurzes Fragment aus "Le Sacre du Prantin" von Igor Stravinsky.

00:42:21: Ist das wirklich eine Melodie? Das ist keine Melodie.

00:42:24: Das ist früher angewandter Rhythmus. Das singt man mit, obwohl es toll ist, weil das Metrum ununterbrochen sich ändert.

00:42:29: Man weiß nicht, wo ist eins.

00:42:31: Er füllt nicht die Kriterien einer Melodie und vielleicht kann ich an dieser Stelle kurz die Kriterien einer Melodie definieren.

00:42:37: Das Irre ist, dass Stravinsky im selben Stück dann plötzlich umschwenkt und dann kommt eine total einfache, wie eine Kinderliedmelodie.

00:42:51: [Musik]

00:43:08: Das ist dann schon melodisch. An dieser Stelle vielleicht kurz, was ist eigentlich genau eine Melodie?

00:43:14: Ich habe mich da ein bisschen schlau gemacht und versuchte, eine Definition zu finden.

00:43:17: Es gibt verschiedene Faktoren, die eine Melodie bestimmen.

00:43:20: Nein, es muss mal eine in sich geschlossene zeitliche Folge von Tönen sein.

00:43:25: So viel ist klar.

00:43:27: Es ist bestimmte Rhythmus und Intervalle.

00:43:30: Intervalle ist deswegen wichtig. Es geht nicht um die konkrete Tonhöhe.

00:43:35: Eine Melodie kann man überall hinversetzen, solange die Abstände, also die Intervalle zwischen den Tonhöhen, die gleichen bleiben.

00:43:42: Dann ist die Melodie für uns die gleiche.

00:43:45: Das sind auch wir Menschen zum gewissen Abstraktionsprozessfähig.

00:43:49: Das kann man dazu sagen, jeder, der schon ein Instrument gespielt hat, weiß, dass man dieselbe Melodie in C, in D, in S oder in A spielen kann.

00:43:57: Die Melodie bleibt die gleiche.

00:43:59: Es ist unabhängig von Harmonien. Man kann unterschiedliche Akkorde dahinterlegen, die dazu passen können.

00:44:04: Aber die Melodie an sich bleibt unberührt davon.

00:44:07: Man kann auch umpassen in der Akkorde.

00:44:09: Man kann natürlich auch umpassen in der Akkorde.

00:44:11: Und dann, wichtig ist einstimmig. Man muss es singen können.

00:44:14: Man kann ja nur einen Ton gleichzeitig singen.

00:44:17: Eine Melodie ist einstimmig.

00:44:19: Eine Melodie ist immer einstimmig und wird als selbstständige Einheit wahrgenommen.

00:44:24: Was sagst du eigentlich zur Melodie der Mondscheinsornate von Beethoven?

00:44:29: Das ist eine interessante Frage, weil da sind wir in einem Grenzbereich.

00:44:35: Die eigentliche Melodie ist nicht wirklich eine Melodie.

00:44:39: Es fast nicht vorhanden, die wird so hingedupft in ein Harmonie.

00:44:42: Das ist immer der gleiche Ton, der sehr langsam und gleich findet.

00:44:48: Dann wird er kurz und kurz anders.

00:44:50: Es ist eine Melodie, die im Zeitloopen-Tempo präsentiert wird.

00:44:54: Und wo das eigentliche Ereignis ist, ist diese harmonische Bewegung,

00:44:58: dieser harmonische Raum, den die Begleitstimmen eigentlich aufbauen.

00:45:13: * Musik *

00:45:42: * Musik *

00:45:45: Das ist ja eigentlich ungeheuerlich, was da passiert.

00:46:08: Das eröffnet ein harmonischer Raum, die Stimmung wird evoziert.

00:46:12: Das ist schon ein frühes Beispiel.

00:46:14: Eigentlich wird man das eher in die Romantik verorten als in die Klassik.

00:46:18: Das Wichtigste ist das Lokalkolorit, wo wir uns hinein betten.

00:46:25: Das ist in dem Fall pure Harmonie und harmonische Strukturierung.

00:46:30: Und dann kommt zu mir dieser punktierte Ton, das ist zweimal das Gleiche

00:46:36: und krägt aber dann schon aus und ist eine große Melodie.

00:46:42: Und was wir jetzt gehört haben, 53 Sekunden ist das,

00:46:47: was wir Freude schöner Götter funken in den ersten zwei Takten hören.

00:46:51: Geh wird er dann auch fortgesetzt?

00:46:53: Nicht viel hier sozusagen.

00:46:54: Nein, nein, aber das war ja nicht die ganze Melodie,

00:46:56: sondern das waren quasi die ersten zwei Takten.

00:46:58: Es klingt ja auch unglaublich schön, aber wenn man jetzt nur diese Melodie hernimmt

00:47:03: und das Fundament, diese Akkordfolgen, wenn man die wegnimmt,

00:47:12: dann sauft die Melodie ab.

00:47:14: Absolut, die Melodie bleibt nichts mehr übrig.

00:47:17: Man wird sie wahrscheinlich nachsingen können, aber sie ist ohne dieses ...

00:47:21: Sie ist nicht mehr greifbar, sie hat keinen Anfang, kein Ende.

00:47:24: Es fehlt das Bett, wo man sich reinlegt um zu arbeiten.

00:47:27: Genau, genau das ist es.

00:47:28: Und da sind wir jetzt sozusagen bei der Erweiterung.

00:47:31: Die Melodie ist nicht alles in einem musikalischen Kunstwerk.

00:47:35: Sie kann manchmal für sich genommen eine tärtige Qualität haben,

00:47:38: dass sie als Melodie bestehen bleibt.

00:47:40: Aber wir haben hier eine über Minuten gezogene große melodische Entwicklung,

00:47:47: die ohne diesen harmonischen Raum eigentlich künstlerisch sinnlos ist.

00:47:52: Und so wie Beethoven es serviert, ist es eines der einprägsamsten Kunstwerke,

00:47:57: die wir in der Musik haben.

00:47:59: Jeder, der das einmal gehört hat, wird am Beginn nach den ersten Tönen sagen,

00:48:04: was ist die Mondscheinsornate?

00:48:06: Das ist schon eine Leistung, nicht?

00:48:08: Aber das hat eben nicht nur etwas mit dieser Melodie zu tun,

00:48:12: sondern ganz dringend mit allem, mit der Harmonie, mit dem Rhythmus

00:48:16: und mit der Imagination des Künstlers, der aus einer Melodie

00:48:21: und dem Begleitumständen ein Kunstwerk formt.

00:48:25: Das ist wie Bildhauerrei.

00:48:27: Man kann eine Marmordblock hinstellen.

00:48:29: Den kann ich aber so behauen, dass etwas aus dem herauswächst.

00:48:33: Hast du noch irgendeine schöne Melodie, die du uns unbedingt vorspielst?

00:48:36: Ja, über viele, aber da wären wir ja nicht fertig.

00:48:38: Wir müssen irgendwann den nächsten Podcast aufnehmen.

00:48:40: Aber dann bringe ich vielleicht noch eine Antwort von jemand anderem

00:48:43: auf die Frage, was eine schöne Melodie ist.

00:48:45: Da ist nämlich vor vielen Jahren in einem Interview das Profil

00:48:48: der kanadische Pianist und Komponist Chili González

00:48:51: danach gefragt worden, was eine perfekte Melodie ist.

00:48:53: Chili González ist auch bekannt dafür, dass er in seinen Live-Shows

00:48:57: am Klavier Melodien, die bekannt sind, setziert und analysiert

00:49:02: und runterstrippt, sozusagen, auf das, was übrig ist.

00:49:05: Also, ich glaube, er hat viel mit Melodien sich schon beschäftigt

00:49:08: und seine Antwort ist, es gibt keine perfekte Melodie.

00:49:11: Ich zitiere, "Erst das Unvollkommen erweckt die Poesie.

00:49:15: Es geht, um den Kampf perfekt sein zu wollen,

00:49:18: aber diesen Zustand niemals erreichen zu können."

00:49:20: Eine gute Melodie sollte einer logischen Regel folgen,

00:49:23: um diese dann überraschend zu brechen.

00:49:25: Sie muss unerwartet springen.

00:49:27: Sie braucht Platz und Pausen, Technik und Instinkt,

00:49:31: außerdem die Wiederholung.

00:49:33: Und vor allem Glück, denn oft passiert die größte Kunst

00:49:37: einfach von selbst.

00:49:39: Ja, das ist völlig richtig.

00:49:41: Vielleicht war auch Freude, schöner Götterfunk, ein Glückstreffer.

00:49:46: Ja, oder ich fürchte bei Beethoven war es so,

00:49:49: dass er irgendwie lange herumgeschoben hat, bis die Melodie so war,

00:49:52: wie er sich so vorgestellt hat.

00:49:54: Ja, wenn Sie die perfekte Melodie gefunden haben

00:49:57: oder noch mehr Antworten darauf haben, was eine gute Melodie ausmacht,

00:50:00: dann schreiben Sie uns doch gerne an podcast@depressor.com.

00:50:04: Wenn Ihnen dieser Podcast gefallen hat, dann bitte in der App,

00:50:08: in der Sie uns hören, eine 5-Sterne-Bewertung.

00:50:11: Da freuen wir uns besonders, und wie die Katrin immer sagt,

00:50:14: dass ermöglicht, uns gehört zu werden von noch mehr Interessenten.

00:50:19: So ist das. Vielen Dank fürs Zuhören.

00:50:21: Auf Wiederhören.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.